Paraschat Wajischlach

Die Parascha in Kürze
  • Jakow bereitet sich auf die Begegnung mit Esaw vor. Er schickt ihm viele Geschenke, entwirft aber auch eine Strategie für den Fall eines Krieges
  • Auf dem Weg trifft Jakow einen Engel (Esaws Engel) und sie kämpfen um das Einverständnis mit dem Erstgeborenenrecht Jakows
  • Die Brüder treffen sich und Esaw will, trotz sei-nes Hasses, brüderlich zu Jakow sein und ihm sogar die Geschenke zurückgeben
  • Dina, Jakows Tochter, wird von Sch’chem ver-gewaltigt und Jakobs Söhne rächen sich mit ei-nem Blutbad gegen die ganze Stadt
  • Rachel gebärt Jakow den zwölften Sohn – Binjamin, aber sie stirbt bei seiner Geburt und wird in Bethlehem beigesetzt
  • Yitzchak stirbt und wird in der Mearat Hamachpela begraben
  • Die Nachkommen Esaws werden aufgezählt

„Dwar“ der Woche

Jakows Tochter Dina wird vergewaltigt und ihre Brüder Schi-mon und Levi wollen sich rächen. Sie überreden die ganze Stadt, sich beschneiden zu lassen. Als alle Männer schwach sind, töten sie sie. War die ganze Stadt schuldig, dass alle wegen der Vergewaltigung sterben mussten? Was hatten die beiden Stammväter im Sinn, dass sie diese Reaktion für gerechtfertigt hielten?

Nach der Tat spricht Jakow zu ihnen: „Ihr habt uns in Gefahr gebracht, denn unser ganzes Umfeld kann sich nun gegen uns stellen. Wir haben nicht die Kraft, gegen alle zu kämpfen.― Deren Antwort war kurz: „Können wir es denn zulassen, dass unsere Schwester vergewaltigt wurde!― Da wir keine Antwort Jakows sehen, sieht es so aus, als ob er dem zustimme und ebenso gehandelt hätte. Doch an seinem Sterbebett wendet er sich an diese beiden Söhne und macht ihnen Vorwürfe: „Euer Zorn hat euch zu Mördern gemacht! Das Schwert ist das Werkzeug eures Lebens.― War es also doch nicht richtig? Warum hat er sie nicht sofort zurechtgewiesen?

Hier sehen wir, was es wirklich bedeutet, ein großer Mensch zu sein. Wenn sich ein Mensch von seinem Zorn beherrschen lässt, heißt das, dass er nicht mehr den Unterschied zwischen Gut und Böse sehen kann. Er lässt sich vom Gewünschten nicht mehr abbringen. Er ist nicht mehr derjenige, der Ent-scheidungen trifft, sondern ist ganz von diesem Willen beses-sen. Jakow will sie eine Sache lehren. Wenn man schwerwiegende Entscheidungen trifft, muss man die Gesamtsituation sehen. Wenn sich jemand von seinem Zorn leiten lässt, kann er unmöglich ein klares Bild vor Augen haben. Jakow sagt, dass es gefährlich war, so zu handeln.

Erst auf seinem Sterbebett erklärt Jakow seine Aussage. Hier geht es schon nicht mehr um die Tat selbst, die schon lange zurückliegt, sondern um die Haltung, die sie dazu gebracht hatte. Entrüstung, Zorn und Verärgerung können angebracht sein, aber nicht wenn ein Mensch so stark von Rachegedanken besessen ist. Ein großer Mensch behält in jeder Situation einen klaren Kopf, um bei jedem Ereignis beide Seiten sehen und erst dann die richtige Entscheidung treffen zu können.

„Konzept“ der Woche

Jakow bereitet sich auf das Wiedersehen mit Esaw vor. Zuvor begegnet er dem Schutzengel Esaws und kämpft mit ihm die ganze Nacht hindurch. Beim Morgengrauen sieht der Engel keine Möglichkeit mehr, Jakow zu besiegen und schlägt ihn auf die Hüfte, sodass Jakow hinken muss. In Erinnerung daran dürfen wir bei Fleisch auch heute nicht das Fett und die Sehnen der Hüfte essen, die weggeschnitten werden müssen, wenn man nicht die ganze hintere Hälfte eines geschächteten Tieres an Nichtjuden verkaufen will.

Bei diesem Ereignis erhält Jakow einen zweiten Namen: Israel. G―tt will, dass an diesem neuen Namen erkennbar ist, dass Jakow mit dem Engel gekämpft und ihn besiegt hat (die Wurzel des Wortes „Israel― bedeutet „siegen―). Obwohl es nur Jakows zweiter Name ist, darf er immer noch genannt werden. Unsere Weisen erklären, dass der Name auf einen Sieg hinweist, der nicht vollkommen ist, denn Jakow ist ja verletzt worden. Diese Aussage bedarf einer weiteren Erklärung.

Jakow wird der Auserwählte der Stammväter genannt, denn alle seine Kinder sind auf dem richtigen Weg ge-gangen. Awraham hingegen war auch der Vater Jischmaels und Jitzchak hatte Esaw zum Sohn. Erst bei Jakow setzen alle seine Söhne seine Tradition fort und bilden so die Basis der Nation. Durch sie wird festgelegt, dass alle weiteren Nachkommen Bestandteil des jüdi-schen Volkes sein werden. Die Tatsache, ein Teil der Na-tion zu sein, obwohl man sündigt, hat Vor- und Nachtei-le. Unsere Weisen sagen, dass Esaw durch seine Abtrün-nigkeit kein Teil des Volkes mehr ist. Seit Jakow ist es so, dass ein Jude noch so viele Sünden begehen kann, aber er bleibt immer noch Jude. Nichts kann dieses Faktum ändern – weder eine Taufe noch ein anderweitiges Abschwören des Judeseins.

Obwohl es dem Engel gelingt, Jakow zu verletzen, ist es Jakow, der den Sieg davonträgt. Der Sieg symbolisiert, dass Jakow von nun an Israel ist, aber zu diesem Am Jisrael, dem jüdischen Volk, auch all diejenigen gehören, die sündigen. Diese Größe hat nur Jakow erreicht, der sich dem Kampf mit dem Engel gestellt hat. Aber er behält den Namen Jakow, weil er nicht nur für seine Ein-stellung zu diesem Kampf steht, sondern auch für die Fähigkeit, auf jeder Stufe zu wissen, dass man Teil dieser Nation ist. Dies ist für uns von besonderer Bedeutung, weil wir, obwohl wir sündigen, Teil des jüdischen Volkes bleiben und immer die Möglichkeit haben, uns zu verbessern.

„Biographie“ der Woche

Rabbi Schlomo Luria („Maharschal") Jahrzeit 12. Kislew

Der Maharschal lebte von ca. 1510 bis 1573 in Polen und Li-tauen. Sein Geburtsort ist nicht bekannt. Man weiß, dass er sich mit 25 Jahren verheiratete und daraufhin eine Jeschiwa in Brisk gründete. Fünfzehn Jahre lehrte er dort, fünf Jahre in der Stadt Ostroh und danach wurde er zum Leiter der berühmten Jeschiwa in Lublin ernannt.

Der Maharschal setzte es sich zum Lebensziel, ein monumen-tales Werk über den gesamten Talmud zu schreiben. Aufge-baut auf den Diskussionen in den einzelnen Traktaten, wollte er diese grundlegend erklären und daraus die sich ergebende und gültige Halacha festlegen. Dieses Werk „Jam schel Schlomo" wird heute noch intensiv studiert. Leider sind nur Teile des ganzen Werkes erhalten geblieben (sieben Traktate), obwohl wir wissen, dass der Maharschal noch weitere neun Traktate fertiggestellt hat.

Unter seinen übrigen Werken sind Responsen, Erklärungen zu Raschis Torakommentar („Jeriot Schlomo"), Anmerkungen zum gesamten Talmud („Chochmat Schlomo"), Erklärungen zu kabbalistischen Werken und auch Poesie („Semirot") zu finden.

Der Maharschal lebte in der Zeit des Rema (Rabbi Mosche Isserles) und führte mit ihm heftige Diskussionen. Der Einfluss des Maharschal wirkt bis in die heutige Zeit fort, nicht nur kraft seiner eigenen Werke, sondern im Besonderen durch seine Schüler, die eine lange Reihe führender Persönlichkeiten bildeten.

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel