Ein Wort Zu Schmini Atzeret/Simchat Tora

Wir nähern uns dem Ende des Sukkot-Festes, das wir mit dem Feiertag von Simchat Tora abschließen. Den ganzen Monat Tischrej sind wir von Rosch Haschana über Jom Kippur zu Sukkot geschritten. Die Abfolge der Festtage zeigt aber eine Verbundenheit miteinander auf einer tieferen Ebene. Der Midrasch erzählt uns, dass uns G"tt nach Sukkot, wo wir Ihm so nahe gekommen sind, nicht verlassen will und daher uns noch Simchat Tora, das Fest der Torafreude, gegeben hat. Aber gibt es nicht noch eineverständlichere Erklärung, da ja schließlich auch Simchat Tora ein Ende findet?

Durch die Feiertage haben wir eine erhabenere spirituelle Stufe erreicht, die wir nicht wieder verlassen wollen und uns auf ihr festigen möchten. Das erreichen wir, indem wir uns mit der Tora verbinden. So können wir auch im Laufe des Jahres eine innere Verbindung zu G"tt spüren und versuchen, das neue Jahr ohne Sünden und in Reinheit zu beginnen. Aber es ist nicht die Freude an der Tora allein, die uns dahin führt. Was müssen wir praktisch tun, um diesen Ansatz in unser Alltagsleben zu transportieren?

 

Um diese Frage zu beantworten müssen wir nochmals Rosch Haschana betrachten, wo wir vor Gericht standen und Rechenschaft über das vergangene Jahr ablegen mussten. Wir hoffen, dass G"ttes Urteil uns ein gutes Leben bescheren wird. Um welche Art Leben haben wir denn gebeten? Gehört unser Alltag mit einem gewissen Genuss des Lebens dazu? Beten wir vielleicht auch für ein besseres Luxusleben? Oder handelt es sich um ein Leben, wie wir es bei wahrhaft großen Menschen sehen, das fast nur aus Geistigem besteht? Sukkot wird in der Tora auch das Fest unserer Freude genannt. Was bedeutet wahre Freude? Schlomo Hamelech, König Salomon, schreibt in Kohelet: „ ‫ - שמח בחור בילדותך‬es freue sich der Mensch in seiner Jugend". Kann man sich nur dann freuen?

Rabbi Israel Salanter, der Begründer der Mussarbewegung, die sich mit Ethik befasst, schreibt, dass der Unterschied zwischen jungen und alten Menschen darin besteht, dass der junge Mensch im Vollbesitz seiner Kräfte ist und sie vollkommen ausnutzen kann. Er kann seinen Charakter noch formen und seine Eigenschaften im besten Sinne entwickeln. Auch Eigenschaften, die ihn noch zum straucheln bringen,kann er mit frischer Kraft verbessern. Wahre Freude zu erreichen ist erst dann möglich, wenn der Mensch sein ganzes Dasein dazu benutzt, alle seine Eigenschaften zu integrieren, auch seine schlechten. Erst dann hat der Mensch das Gefühl, sich wirklich freuen zu können, weil er weiß, dass er sein gesamtes ihm zur Verfügung stehendes Potential genützt hat. An Sukkot laden wir die Uschpisin jeden Tag in die Sukka ein. Darunter sind unsere Stammväter Avraham, Jitzchak und Jakow sowie Mosche, Aaron, Joseph und David und wir beten, dass sie uns in der Sukka besuchen mögen. Viele Gründe werden für diesen Minhag (Brauch) angeführt und viel wurde über die Herkunft dieses Gebetes geschrieben.

Einen kleinen Einblick wollen wir in diese Idee nehmen, die eigentlich kabbalistischen Ursprungs ist. Unsere Stammväter waren nicht verpflichtet, die Gesetze der Tora zu halten, da sie vor der Übergabeder Tora lebten. Dennoch sind sie unsere Vorbilder und ihr Verhalten hat grundlegende Bedeutung fürdas jüdische Volk. Aber an Sukkot geht es nicht so sehr um das Halten der Gebote als um das Leben. Wir wollen uns freuen an dem, was wir im Alltag besser leben wollen, weil wir versuchen, unsere Eigenschaften in gefühlvoller Weise zum Ausdruck zu bringen. Unsere Stammväter haben uns vorgelebt,wie man die Stufe erreicht, auf der man wirklich lebt, und daher wollen wir diese Menschen zum Festunserer Freude einladen. Das ist das Leben, um das wir zu Rosch Haschana beten: „G"tt, gib uns Leben!" Das heißt, wie wir unser Leben richtig angehen können und auch das Schlechte in uns zum Guten benutzen können. So werden wir die Freude verspüren, die wir an diesem Fest haben sollen.

Der Monat nach den Feiertagen heißt Marcheschwan. Er ist der einzige jüdische Monat, in dem es keine Festtage gibt. Jetzt müssen wir das an den Feiertagen Erreichte in die Tat umsetzen und in den Alltag integrieren.

Mit freundlicher Unterstützung von HaMakor.de und Rabinner Aron Orzel