Wochenabschnitt Matot

- zwölf Stäbe und das Exil

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Die dieswöchige Parascha beginnt mit: "Und Mosche sprach zu den Anfuehrern der Stämme [Bamidbar 30:2]. Die Thora benutzt für Stämme hier den hebräischen Begriff "Matot", der sich ebenfalls mit "Stöcke" übersetzen lässt.

Ein Stock, so könnte man sagen, ist ein Stück von einem Baum, das den Preis dafür zahlt, von diesem getrennt zu sein. Tatsächlich würde man wohl kaum einen Stock mit dem grünen, frischen Trieb eines Baumes gleichsetzen. Seine einst flexible und biegsame Form hat sich zu einem harten und unbiegsamen Stab gewandelt, seine poröse und geschmeidige Rinde hat sich verholzt; aus dem einst jungen Ast wurde eben ein Stock.

Man könnte aber auch sagen, dass ein Stock ein Stück von einem Baum ist, welches gelernt hat, von diesem getrennt zu sein. Der einst zarte Spross besitzt nun Rückgrat und Statur; er hat gelernt, sich selbst zu behaupten - er wird nicht mehr von jeder Brise beziehungsweise jedem Windstoss beeinflusst. Die Zeit in der Kälte der Isolation hat ihn hart und wiederstandsfähig gemacht; er wandelte sich zu einem wiederstandsfähigen, starken Stab.

Die Thora verwendet zwei Begrieffe für die Stämme Israel: Schewatim und Matot. Während "Schewet" soviel wie "Rute" oder "Zweig" bedeutet, steht "Mateh" vielmehr für "Stock" beziehungsweise "Stab". Beide Begriffe drücken grundsätzlich den Gedanken aus, das die Stämme Israel, Äste vom "Baum des Lebens" sind - Sprösslinge der ultimativen Quelle aller Existenz. Beide Begriffe repräsentieren aber auch die verschiedenen Beziehungsebenen eines Juden zu seinen Wurzeln.

Der "Schevvet" lässt offen seine Verbundenheit mit seinen Wurzeln erkennen; der Zweig ist fest mit dem Baum verbunden, und der Lebenssaft fliesst durch seine Adern. Der Schewet symbolisiert somit einen Juden, der eine offenkundige Beziehung zu G"TT unterhält, getragen von einem sichtbaren G"ttlichen Einfluss in seinem Leben. Der Schewet symbolisiert somit auch die Zeit vor der Galut (vor dem Exil) - eine Zeit, in der die G"ttliche Gegenwart inmitten des Jüdischen Volkes weilte.

Der "Mateh" ist ein "Schewet" (d. h. ein Zweig) der von dem Baum, von dem er stammt, getrennt wurde. Der Mateh symbolisiert das Jüdische Volk im Galut (im Exil). Wie ein Kind, das vom Tisch des Vaters verbannt wurde [siehe Traktat Brachot 3a], um in den kalten und fremden Wegen des Exils umher zu wandern. Getrennt von der Quelle seiner Kraft und Vitalität, ist er gezwungen, seine eigenen Widerstandskräfte gegen die Elemente zu entwickeln und zu stärken. Wie ein Heranwachsender muss er lernen, sich selbst zu behaupten, fern von seinem Elternhaus.

Der dieswöchige Thora-Abschnitt trägt den Namen "Matot", gemäss dem einleitenden Passuk, in welchem Mosche Rabeinu sich "El-Raschei Ha'Matot", d. h. an die Anführer der Stämme, richtet.

Es ist bezeichnend, dass die Thora sich gerade hier auf die Stämme Israel anhand des Begriffs "Matot" bezieht - sowie auch auf die gesamte Parascha, die nach ihm benannt ist. Parascha Matot wird stets während der "Drei Wochen", d. h. in der Zeit zwischen dem 17. Tammus und dem 09. Aw, gelesen - in der Zeit, in der wir der Zerstörung des Heiligen Tempels sowie der Vertreibung ins Exil gedenken und jene Ereignisse betrauern.

Jeder Stock sehnt sich danach, wieder mit dem Baum des Lebens verbunden zu sein. Er sehnt sich danach, einst wieder ein frischer, grüner Ast zu sein; wiedervereint mit den anderen Zweigen und genährt von seinem Stamm. An jenem Tag jedoch, wird der Stock auch seine hart erkämpfte Wiederstandsfähigkeit, Beständigkeit und Stärke mitnehmen - oder anders ausgedrückt: Er bringt die Reife des "Mateh", die er in der Zeit des Exils erworben hat, mit sich. Möge es in diesen Tagen geschehen!

Schabbat Schalom!

* basierend auf den Lehren des Lubawitcher Rebben; siehe u. a.: Likutei Sichot, Bd. 17, S. 382–384.

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